Die Meßkircherin Ilona Boos hat eine der drei Stellvertreterpositionen im CDU-Kreisverband Sigmaringen inne, neben Philip Schwaiger aus Sigmaringendorf und Alexandra Hellstern-Missel aus Sigmaringen.
Meßkircher Vizechefin des CDU-Kreisverbandes fordert einen klaren Kompass für die Partei
SÜDKURIER v. 7.Mai 2022 von Manfred Dieterle-Jöchle
Was war Ihre Motivation, als Stellvertreterin des Kreisvorsitzenden Klaus Burger anzutreten?
Die Frage einer Kandidatur stellte sich nach der verlorenen Bundestagswahl. Aufgrund der vorangegangenen personellen Entscheidungen auf Bundesebene haderte auch ich zu diesem Zeitpunkt mit meiner Partei und dachte, wenn ich etwas verändern möchte, muss ich an verantwortungsvollerer Position mitarbeiten. Auf dem Kreisparteitag wurde ich auf eine der drei Stellvertreter-Positionen des Kreisvorsitzenden gewählt. Über das hervorragende Wahlergebnis und den Vertrauensbeweis habe ich mich sehr gefreut.
Wie wollen Sie erreichen, dass sich mehr Frauen in der CDU engagieren?
Die CDU hat – oft zu Unrecht – immer noch den Ruf einer Altherren-Partei. Wenn ich aber zum Beispiel in den Stadtverband Meßkirch schaue, so sind von acht Vorstandspositionen fünf mit Frauen besetzt. Jedoch ist der Anteil der Frauen unter den CDU-Mitgliedern immer noch zu gering. Ich denke, gerade vor Ort können wir Frauen noch stärker direkt ansprechen, versuchen, für eine Mitwirkung zu begeistern, Lust auf Politik vermitteln, Netzwerke unter Frauen stärken, aber auch Frauen aktiv fördern. Und wir müssen uns auch auf Orts- und Kreisverbandsebene als moderne, zukunftsgerichtete Volkspartei präsentieren.
Wie stehen Sie zur geplanten Frauenquote für die CDU?
Ich bin kein Freund einer starren Quotenregelung. Ich denke, dass Frauen heutzutage eigentlich eine Frauenquote nicht mehr nötig haben. Es sollte aber auch für eine große Volkspartei mittlerweile selbstverständlich sein, dass Frauen und Männer gleichberechtigt in Ämtern und Mandaten vertreten sind. Führt eine entsprechende Selbstverpflichtung nicht zum Erfolg, muss dies über verbindlichere Regelungen zum Beispiel durch paritätisch besetzte Listen bei Wahlen sichergestellt werden.
Welche Stimmung herrscht zurzeit unter den Mitgliedern im CDU-Kreisverband?
Nach der Nominierung von Armin Laschet zum Kanzlerkandidaten der CDU gab es einige Austritte im Kreisverband. Die Mitglieder fühlten sich nicht gehört, da Entscheidungen gegen die Meinung der Basis getroffen wurden. Dies war auch beherrschendes Thema bei der Konferenz der Kreisvorsitzenden in Berlin, wo es um die Aufarbeitung des Wahlergebnisses ging und bei der ich den CDU-Kreisverband Sigmaringen vertreten konnte. Wir hatten vorab ein Stimmungsbild unserer Mitglieder eingeholt, welches ich in Berlin vorgetragen habe. Das Ergebnis der Konferenz war, dass erstmals alle Mitglieder bei der Wahl des neuen Vorsitzenden mitstimmen durften. Diese haben von ihrem Stimmrecht rege Gebrauch gemacht: Gewählt wurde mit überragender Wahlbeteiligung und Ergebnis Friedrich Merz. Zudem wurde ein Erneuerungsprozess angestoßen und in Baden-Württemberg eine Zukunftskommission eingesetzt. Für diesen Prozess finden aktuell auch in unserem Kreisverband sogenannte Parteiwerkstätten – Workshops für CDU-Mitglieder – statt, bei denen sich die Mitglieder aktiv einbringen können. Ergo: Es tut sich was!
Welche Wirkung hatte die Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Vorsitzenden und zum Fraktionschef im Bundestag?
Friedrich Merz hat von den Mitgliedern viel Rückenwind und einen großen Vertrauensvorschuss erhalten. Wir hatten daraufhin auch im Kreisverband wieder vermehrt Eintritte in die Partei.
Welche Erwartungen haben Sie an Friedrich Merz?
Wichtig ist, dass die Menschen wieder wissen, für was die CDU steht. Unsere Partei ist in den vorangegangenen Jahren so austauschbar geworden. Wir brauchen wieder einen klaren Kompass und eindeutige Positionen, und die Standhaftigkeit, diese auch gegen einen oft gefühlten Mainstream zu vertreten. Die Wähler müssen wieder wissen, was sie erwartet, wenn sie ihr Kreuz bei der CDU machen.
Welche Stimmen der CDU-Mitglieder kommen angesichts des Ukrainekriegs bei Ihnen an?
Große Betroffenheit, Unverständnis für Putins Handeln und der große Wunsch, den Menschen in der Ukraine irgendwie helfen zu wollen. Im Kreisverband haben wir darüber diskutiert, was wir tun können. Verschiedene Stadtverbände haben Sammelaktionen für die Menschen in der Ukraine durchgeführt oder Mahnwachen und Benefizveranstaltungen veranstaltet. Auch die Junge Union hat eine tolle Spendenaktion ins Leben gerufen. Auf Kreisebene haben wir diese Veranstaltungen vernetzt und unsere Mitglieder über die Hilfsangebote informiert. Sorgen mache ich mir bezüglich einer weiteren Eskalation und Ausweitung des Konflikts, aber auch über die wirtschaftlichen Folgen nicht nur für unser Land.
Halten Sie die Maßnahmen der Ampelkoalition, die Preisanstiege abzufedern, für ausreichend?
300 Euro an Heizkostenpauschale, die noch zu versteuern sind, sind angesichts erheblich gestiegener Energiekosten ein Strohfeuer, und vom 9-Euro-Ticket für den Nahverkehr, eigentlich eine tolle Idee, profitieren die Menschen in den Ballungszentren, nicht aber im ländlichen Raum, in dem der ÖPNV immer noch keine echte Alternative zum Auto darstellt. Deshalb ist es richtig und zwingend, auch diejenigen zu entlasten, die auf ihr Fahrzeug angewiesen sind und die Spritpreise entsprechend zu senken. Ich hätte mir eine über einen längeren Zeitraum als drei Monate dauernde Senkung der Energiesteuern, der Stromsteuer und der Mehrwertsteuer auf Energie gewünscht, um auch die Wirtschaft entsprechend zu entlasten.
Welche Initiativen sollte die Kreis-CDU ergreifen, um die Hausarzt-Versorgung im Kreis Sigmaringen zu verbessern?
Das Thema der ärztlichen Versorgung beschäftigt die Menschen im Landkreis sehr. Die Möglichkeiten der Kreis-CDU, die Situation zu verbessern, sind jedoch begrenzt. Wir können das Thema gemeinsam mit unseren Abgeordneten und Experten diskutieren und die Situation vor Ort darlegen. Wir können entsprechende Anträge über Parteitage zur Abstimmung bringen. Das Problem ist schon lange bekannt, es werden aber immer noch zu wenig Ärzte in Deutschland ausgebildet und viele orientieren sich nach dem Studium anderweitig. Programme, um die Situation zu verbessern, wie zum Beispiel die Landarztquote in Baden-Württemberg, greifen noch nicht. Die hausärztliche Tätigkeit speziell im ländlichen Raum muss attraktiver ausgestaltet werden, sowohl finanziell als auch hinsichtlich der Work-live-balance. Dies erfordert eine gemeinsame Kraftanstrengung insbesondere von Bund und Land sowie den Kommunen.
Welche Ziele verfolgen Sie im Kreisverband, um das Klima besser zu schützen?
Der Klimaschutz ist mit die zentrale Aufgabe des 21. Jahrhunderts. Ich bin jedoch der Meinung, dass dies nicht über Verbote funktioniert. Vielmehr müssen die Menschen überzeugt und auf dem Weg mitgenommen werden. Zudem muss Klimaschutz einhergehen mit technischer Innovation. Themen in unserem Kreis sind sicherlich der weitere Ausbau erneuerbarer Energien – Stichwort Windkraft – für den wir uns aktiv einsetzen sollten und unter anderem moderne Mobilitätskonzepte für den ländlichen Raum. Aber auch jeder einzelne kann etwas dazu beitragen, seinen ökologischen Fußabdruck durch eine schon geringe Veränderung des eigenen Verhaltens zu reduzieren. Die Bewahrung der Schöpfung ist im Übrigen ein urchristliches Thema und sollte Maßstab unseres Handelns sein.
Zur Person
Die Diplom-Verwaltungswirtin Ilona Boos, 48 Jahre alt, wohnt in Meßkirch. Sie arbeitet als Fachbereichsleiterin bei der Stadtverwaltung von Bad Saulgau. Ilona Boos ist verheiratet und Mutter zweier Kinder. Seit 2005 ist sie Mitglied der CDU. Mit CDU-Gemeinderätin Insa Bix gehört eine zweite Meßkircherin dem Vorstand des CDU-Kreisverbandes an – sie ist Beisitzerin. Vorsitzender ist der Landtagsabgeordnete Klaus Burger. Seit 2012 gehört er dem Landesparlament an.